Der Landtag NRW, die evangelische Kirche, der Zentralrat der Juden in Deutschland und ein Bischof aus Palästina 

Es geht um die Predigt des Bischofs der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Jordanien und im Heiligen Land (ELCJHL), Ibrahim Azar, in der Jerusalemer Erlöserkirche am Reformationstag. Darin behandelte Bischof Azar die Situation in Palästina und stellte die Frage nach den Herausforderungen an eine reformatorische Kirche im Heiligen Land nach zwei Jahren Krieg in Gaza.

Bischof Azar sprach in arabischer Sprache, es gab aber  Übersetzungen in Englisch und Deutsch auf Papier. Die Begriffe Völkermord / genocide störte die Heiligen aus dem Abendland.

Stellungnahme vorweg

Wer seid Ihr, Christen aus dem Abendland, "einem palästinensischen Bischof vorzuschreiben, wie er die Realität in seinem Land zu bezeichnen hat?!  Die Frage, ob das Vorgehen Israels gegenüber den Palästinensern in Gaza als Genozid bezeichnet werden kann, wird international diskutiert. Zahlreiche namhafte Völkerrechtler und auch jüdische Experten in Israel und den USA sehen den Tatbestand erfüllt. Juristisch wird dies erst der Internationale Gerichtshof in Den Haag klären. Die Aussagen von Bischof Azar kamen jedoch aus seiner und seiner Gemeinde existenziellen Betroffenheit.
Wir kritisieren jene Kirchenleitenden in der EKD, die sich das Recht herausnehmen, den Sprachgebrauch eines palästinensischen, kirchenleitenden Christen, der direkt vom Nahostkonflikt betroffen ist, zu verurteilen."

So ein Auszug aus dem Protestschreiben. Ein christliches Mitglied der Palästinensischen Gemeinde in Koblenz und Umgebung e. V. hat mitunterzeichnet. 

Der Skandal

Der Vize-Vorsitzende des Zentralrats der Juden in Deutschland, Abraham Lehrer verließ die Erlöserkirche wegen des Begriffes VölkermordDie gesamte Delegation blieb dem anschließenden Gemeinde-Empfang fern. 

Die mitreisende Präses der Evangelischen Kirche von Westfalen, Adelheid Ruck-Schröder, sprach später Medien gegenüber von einem „Skandal am Reformationstag“ und entschuldigte sich stellvertretend dafür, dass Lehrer in diese Situation gekommen sei.

Landtagspräsident André Kupper (CDU) kritisierte die Wortwahl als „inakzeptabel und auch nicht hinnehmbar“. Und die nordrhein-westfälische Antisemitismusbeauftragte Sylvia Löhrmann (Grüne) bezeichnete es als „entsetzlich und beschämend, dass die Perspektive der Jüdinnen und Juden mit dem 7. Oktober nicht in der Predigt auch angesprochen worden ist.“ Hier zeige sich „das antisemitische Muster der Täter-Opfer-Umkehr.“

Auch die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) distanzierte sich „deutlich vom Sprachgebrauch durch Bischof Azar.“ Der von ihm verwendete Völkermord-Begriff trage zur Spaltung bei und stehe einer Verständigung und Versöhnung entgegen, heißt es von Seiten der EKD.

Die Heiligen aus dem Abendland:

  1. Delegation des nordrhein-westfälischen Landtags
  2. Delegation der Evangelischen Kirsche in Deutschland
    u. a. Präses der Evangelischen Kirche von Westfalen, Adelheid Ruck-Schröder
  3. Vize-Vorsitzende des Zentralrats der Juden in Deutschland, Abraham Lehrer

Unterstützt wurden die Heiligen medial von der nordrhein-westfälische Antisemitismusbeauftragte Sylvia Löhrmann (Grüne). Sie bezeichnete es als „entsetzlich und beschämend, dass die Perspektive der Jüdinnen und Juden mit dem 7. Oktober nicht in der Predigt auch angesprochen worden ist.“ Hier zeige sich „das antisemitische Muster der Täter-Opfer-Umkehr.“

Andere Reaktionen

  1. Bischof Azar hat inzwischen seine geplante Teilnahme an der am Sonntag, 9.11.2025 beginnenden EKD-Synode in Dresden abgesagt.
  2. Offener Brief aus Anlass der Kritik an Bischof Ibrahim Azar in Jerusalem
    An die Präses der EKD-Synode, Anna-Nicole Heinrich, an die EKD-Rats-Vorsitzende, Kirsten Fehrs,
    an alle Mitglieder des Präsidiums der EKD-Synode und des EKD-Rats,
    an die Kirchenleitenden der evangelischen Landeskirchen in Deutschland

    Lesen Sie den offenen Brief. Er wurde publiziert vom Jerusalemverein, in dessen Vorstand Bischof Azar Mitglied ist. Der Vorstand verteidigte die Rede von Bischof Azar.
  3. Bischof Azar antwortet in einem Interview: Ich spreche als Hirte, dessen Verantwortung es ist, die Leiden meiner Gemeinde sichtbar zu machen, und nicht als Politiker. Ich respektiere die Kritik und nehme sie ernst, sehe aber auch die Notwendigkeit, die Perspektive der direkt Betroffenen zu teilen.

Nachtrag: eine Tochter von Ibrahim Azar, Sally Azar - wurde erste Pfarrerin in Ostjerusalem

Quellen: 

  1. Der Jerusalemverein, in dem Bischof Azar Mitglied des Vorstandes ist.
  2. evangelisch.de - Interview mit Bischof Ibrahim Azar
  3. Jesus.de, Skandal am Reormationstag
  4. Evangelische Kirche Westfalen: Palästinensischer Bischof spricht in Predigt von "Genocid"