Ohne Gerichtsurteil und andere Verletzungen rechtlicher Normen

Ein Mittel zu Unterdrückung von politischen Widerstand ist die Administrativhaft des israelischen Besatzungsrechtes im Westjordanland. Die Administrativhaft ist aber nur ein Punkt in Justizsystem Israels gegen die palästinensische Bevölkerung. Dieser Satz beinhaltet bereits de unterschiedlichen Rechtssysteme für unterschiedliche  Bevölkerungsgruppen. Weitere Merkmale des Justizsystems sind unfaire Gerichtsverfahren. Die Bedingungen, unter denen sie stattfinden entsprechen nicht den internationalen Standards: keine Willkürliche Inhaftierung und bestrafung, unabhängige Richter, Gleichheit vor dem Gesetz, Recht auf Verteidigung (incl. Zugang zu allen Akten), usw.

 

Die Merkmale der Administrativhaft sind:

  1. Kein Gerichtsverfahren, die Inhaftierung erfolgt als mili
  2. Die Maßnahme wird von der Militärverwaltung verkündet.
  3. Die Prozessunterlagen sind geheim und können auch von den Verteidigern nicht oder nur teilweise eingesehen werden.
  4. Die Inhaftierung erfolgt in der Regel ohne Begründung.
  5. Die Dauer der Administrativhaft beträgt meistens ein halbes Jahr und kann beliebig verlängert werden. Mehrere Jahre Haft sind keine Seltenheit.
  6. Auffällig oft sind aktive Vertreter von politischen Organisationen und Menschenrechtsorganisationen (ausschließlich palästinensische). 

Im August 2023 befinden sich ca. 1.100 Palästinenser in Administrativhaft. Am 30.12.2023 meldet ORF.at 8.000 Häftlinge. Die Suche nach den Hintergründen dauert nicht lange: alle Inhaftierte sind exponierte Personen, die deutlich und öffentlich die israelische Politik kritisieren und entsprechende Forderungen nach Einhaltung der Menschenrechte stellen. AI kritisierte bereits 2012 diese Politik und verlangte die Abschaffung der Administrativhaft. Auch der Deutsche Bundestag fasst am 24.10.2012 eine entsprechende Verurteilung. Dass solche menschenverachtende Justiz-Praktiken auch Folgen haben, hat das Parlament 2023 vollständig vergessen. 

Prominente Personen, die bereits Opfer der Administrativhaft waren:

  1. Calida Jarrar, ehemalige Abgeordnete des Palästinensischen Legislativrats, vom 2.7.2017 - 28.2.2019 in Administrativhaft nach 3maliger Verlängerung
  2. Shawan Jabarin, Direktor der Menschenrechtsorganisation Al Haq
  3.  Mahmoud Sarsak, Fußballspieler der palästinensischen Fußballnationalmannschaft. Ab Juli 2009 wurde er drei Jahre lang ohne Anklageschrift in einem israelischen Gefängnis gefangengehalten. Ein Hungerstreik, und Proteste von Profi-Fußballer aus aller Welt führten letztendlich zu seiner Freilassung. Aus Deutschland sind keine Stellungnahmen bekannt.
  4. Salah Hammouri, Anwalt ist seit dem 6. März 2022 inhaftiert, obwohl gegen ihn keine Anklage erhoben oder ein Verfahren eingeleitet wurde. Aufgrund einer viermonatige Verwaltungshaftanordnung wurde seine Haft bis zum 6. Juli 2022 verlängert. ( Bericht von AI vom 11.4.2022)
  5. ....
  6. Die Liste wir bei Position 4 beendet.

Zu den Fällen berichten: 

In Wikipedia (de) schreibt der Autor hierzu: Weil von Administrativhaft nahezu ausschließlich Palästinenser betroffen sind, verstehen verschiedene Menschenrechtsorganisation sie als Teil eines Systems dauerhafter Diskriminierung und werfen Israel vor, in den besetzten Gebieten völkerrechtlich verbotene Apartheid zu betreiben.
Die UN-Arbeitsgruppe gegen willkürliche Inhaftierung (WGAD) bezeichnete die israelische Praxis wiederholt als willkürliche Inhaftierung (arbitrary detention) und forderte ihre Beendigung. Auch der UN-Sonderberichterstatter für die Menschenrechte in den besetzten palästinensischen Gebieten bezeichnete Israels Haftpraktiken im Jahr 2023 als nach internationalem Recht illegal. Bereits 2020 hatte ein UN-Experte festgestellt, dass Israels Verwendung administrativer Haft ohne faire Anhörung gegen Artikel 9 und 14 des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte (IPbpR) verstoße. (Wikipedia.de, abgerufen am 23.11.2025)

 

Amnesty International schreibt im Zusammenhang mit dem Fall Hamouri: 2022 begannen 490 Palästinenser*innen in Administrativhaft einen "100-Tage-Streik"  u. a. mittels Hungerstreik gegen die israelischen Militärgerichte. Diese segnen auf Grundlage geheimer Informationen Anträge für monatelange Haftstrafen ab – ohne faires Gerichtsverfahren und ohne konkrete Anklage.
«Palästinensische Menschenrechtsaktivist*innen, Journalist*innen, Akademiker*innen und andere haben unter dieser grausamen und unmenschlichen Praxis gelitten und protestieren seit Jahrzehnten dagegen, unter anderem mit Hungerstreiks. Dieser Boykott ist ein erneuter kollektiver Aufruf gegen die Administrativhaft», sagte Saleh Higazi, stellvertretender Direktor von Amnesty International für den Nahen Osten und Nordafrika. Seit Jahrzehnten setzt Israel das Instrument der Administrativhaft bewusst ein, um Personen  für ihre Ansichten und ihren Aktivismus zu bestrafen – darunter auch Kinder und Gewissensgefangene, die nur wegen der Ausübung ihres Rechts auf freie Meinungsäusserung, Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit im Gefängnis sind.

Nach Angaben der palästinensischen Menschenrechtsgruppe Addameer haben die israelischen Behörden zwischen 2017 und 2021 5728 Anträge für Administrativhaft gegen Palästinenser*innen ausgesprochen, 1695 allein im Jahr 2021. Dies steht im Zusammenhang mit Massenverhaftungen durch israelische Behörden während der Proteste im Mai und Juni 2021.

Das israelische Militär kann Administrativhaftbefehle von bis zu sechs Monaten ausstellen, um Palästinenser*innen in Gewahrsam zu nehmen, wenn es «vernünftige Gründe» dafür gäbe, dass eine Person eine Gefahr für die «Sicherheit des Gebiets» oder die «öffentliche Sicherheit» darstelle.

Die Haftbefehle können auf unbestimmte Zeit verlängert werden, doch müssen die Inhaftierten innerhalb von acht Tagen nach Ausstellung oder Verlängerung eines Haftbefehls einem Militärgericht vorgeführt werden.

Personen in Administrativhaft haben zwar das Recht, gegen jeden Haftbefehl Widerspruch einzulegen, und sie haben Anspruch auf einen Rechtsbeistand ihrer Wahl. Doch werden weder die Anwält*innen noch die betroffenen Personen über die Einzelheiten der vorliegenden Beweise informiert. Ein Militärgericht kann die Anordnung aufrechterhalten, verkürzen oder aufheben. Die Anordnung kann beim Obersten Gerichtshof Israels angefochten werden. ... 
Der Gerichtshof hat jedoch noch keine klaren Regeln für die Überprüfung von Verwaltungshaft eingeführt, stellt selten die Informationen in Frage, auf deren Grundlage Haftanordnungen getroffen werden, und prüft im Allgemeinen nicht die Entscheidungen von Militärrichter*innenn nicht.

Quellen:

  1. NDR-Hintergund
  2. news.ORF.at am 30.12.2023
  3. Amnesty International 2019-03-08 und AI 2018 und AI 2012
  4. Das Dokument der AI-Untersuchung: Starved of Justice - Palestinians Detained without Trial by Israel  
  5. La toile carcérale, Une histoire de l'enfermement en Palestine, Vgl. Artikel
  6. Der Deutsche Bundestag 2012

Und eigene Artikel bisher:

  1. Prof. Imad Barghouti noch immer in Verwaltungshaft
  2. Rechtlosigkeit: die Administrativhaft
  3. 2023.07 - DLF: Administrativhaft
  4. Administrativhaft 2024